Psychische Belastung bei Neurodermitis – ein Teufelskreis
Juckreiz, der einen in den Wahnsinn treibt, Stigmatisierung und Scham, die psychisch belasten und Stress, der die Symptomatik von Neurodermitis verschlimmert, sind alles Faktoren, die bei der Diagnose und Behandlung einer atopischen Dermatitis in Betracht gezogen werden sollten.
Kann die Psyche auf die Haut schlagen? Redewendungen, die darauf hindeuten, dass Haut und Psyche miteinander zusammenhängen, gibt es einige. Kennen Sie die Sprichwörter: „Sie fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut“, „er ist dünnhäutig“ oder „das juckt sie nicht“, oder „er hat ein dickes Fell“? Erfahren Sie in diesem Beitrag mehr über die psychischen Belastungen, die mit Neurodermitis einhergehen.
Neurodermitis durch Stress: Kann psychischer Stress Neurodermitis auslösen?
Zu Recht heißt es, die Haut ist ein Spiegel der Seele: Viele Patienten und Patientinnen berichten, dass sich ihre Symptome verschlechtern, wenn sie gestresst sind oder es ihnen nicht gut geht. Während bei Jugendlichen und Erwachsenen hauptsächlich negativer Stress Neurodermitis beeinflusst, kann sich bei Kindern auch positiver Stress auf die Hauterkrankung auswirken.
Wichtig: Auch wenn Stress zu Schüben führen, oder die Symptomatik verschlimmern kann, heißt das nicht, dass Stress die Ursache für die Erkrankung ist.
Gut zu wissen:
Ist Neurodermitis eine psychische Erkrankung? Auch wenn Neurodermitis psychische Auswirkungen hat, zählt es nicht zu den psychischen Störungen und ist nicht im DSM (Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen), einem weltweit etablierten Klassifikationssystem für psychische Störungen, gelistet.
Was bedeutet eigentlich…?
Definition Stress:
Stress ist eine Reaktion auf herausfordernde Situationen. Unterschieden wird zwischen positivem Stress (Eu-Stress) und negativem Stress (Di-Stress). Während Eu-Stress positive Eigenschaften mit sich bringt und beispielsweise motiviert oder aktiviert, führt Di-Stress zu verschiedenen negativen Folgen und kann sowohl physisch als auch psychisch krank machen.
Stress durch Neurodermitis
Stress kann nicht nur zu Neurodermitis Ausbrüchen führen oder Schübe verschlimmern, sondern auch die Folge von körperlichen (oder seelischen) Leiden sein. Damit können sich Neurodermitis Patienten oder Patientinnen in einem gefährlichen Teufelskreis befinden: Stress fungiert als Auslöser, Verstärker und Folge zugleich.
Schon gewusst?
Nicht nur für Patienten und Patientinnen bedeutet die Erkrankung eine psychische Belastung und dadurch eine Verminderung der Lebensqualität: auch die Angehörigen sind häufig betroffen.
Stress vermindern: Was hilft?
Verschiedene Tätigkeiten, Techniken und Methoden haben sich hilfreich beim Stressabbau erwiesen. Gezielte Entspannungstechniken wie autogenes Training, Yoga, Tai-Chi oder Muskelentspannungstraining eignen sich ab einem älteren Kindesalter, um Stress abzubauen.
Körperliche Aktivitäten können sowohl bei Kindern als auch bei Jugendlichen und Erwachsenen Stress abbauen. Auch individuelle, entspannende Maßnahmen sind empfehlenswert. Bei wem diese Methoden und Tipps keine Erfolge aufweisen, sollte sich professionelle Hilfe von Psychotherapeuten suchen. Sprechen Sie auch mit Ihrem behandelnden Dermatologen oder Ihrer behandelnden Dermatologin.
Schon gewusst?
Bei Stress neigen wir häufig zu einer ungesunden Ernährung. Das kann sich wiederum ungünstig auf die Hautkrankheit auswirken.
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Die psychische Belastung von Neurodermitis
Während vor 20 Jahren den psychischen Belastungen bei chronischen Erkrankungen noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, gibt es inzwischen Möglichkeiten sogar krankheitsspezifisch die emotionalen Beeinträchtigungen zu erfassen. Dadurch wissen wir, dass viele Neurodermitis Betroffene aufgrund von verschiedenen Auswirkungen der Krankheit psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Umfragen zu Folge fühlen sich 57 Prozent der von Neurodermitis Betroffenen emotional belastet. Mit zunehmender Schwere der Ausprägung steigt auch die Belastung. Während bei einer moderat verlaufenden atopischen Dermatitis 44 Prozent der Betroffenen angaben, dass sie eine Beeinträchtigung empfanden, sind es 67 Prozent bei einer schweren Erkrankungsform.
Maßgeblich für die emotionale Belastung sind Juckreiz und Stigmatisierung. Doch auch weitere Ursachen führen zu einer verminderten Lebensqualität bei Betroffenen.
Juckreiz
Das Jucken der Haut stellt oftmals eine quälende Belastung dar und wirkt sich somit häufig auf die Lebensqualität aus. Permanentes Jucken geht nicht selten mit Konzentrationsproblemen einher. Nächtliches Jucken kann zu Schlafstörungen führen. Die Folge von schlaflosen Nächten können wiederum verminderte Leistungsfähigkeit, Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit sein.
Stigmatisierung
Durch die Sichtbarkeit von Hautveränderungen leiden viele Neurodermitis Betroffene unter Stigmatisierung. Insbesondere, da Neurodermitis an häufig unbedeckten Körperstellen wie Gesicht, den Händen und Armen auftreten kann, sind Betroffene Blicken und somit Stigmatisierung ausgesetzt. Neben der tatsächlich stattfindenden Stigmatisierung leiden, laut Erhebungen, einige Patienten und Patientinnen bei bereits minimalen Hautveränderungen häufig an körperdysmorphen Störungen. Das bedeutet, dass sie unter Stigmatisierung leiden, die tatsächlich jedoch gar nicht stattfindet. Auch wenn sie sich diese lediglich einbilden, besteht dennoch ein erheblicher Leidensdruck und somit eine Verminderung der Lebensqualität.
Weitere Faktoren
Ein weiterer Faktor, der Neurodermitis Betroffene häufig belastet, ist die Tatsache, dass die Krankheit nicht heilbar ist. Nicht zu wissen, wann und wie stark der nächste Schub sein wird, kann für einige Betroffene äußerst belastend sein. Einige Patienten und Patientinnen, die von einer chronischen Krankheit betroffen sind, leiden daraus resultierend auch an Depressionen oder depressiven Verstimmungen.
Hilfe bei Depressionen
Sollten Sie eine Depression bei sich vermuten, sollten Sie nicht zögern, sich Hilfe zu suchen. Hilfe finden Sie zum Beispiel auf der Website der Deutschen Depressionshilfe. Auch Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin können Sie kontaktieren. Dort erhalten Sie, wenn notwendig, eine Überweisung zu einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin.
Was bedeutet eigentlich…?
Definition: Bei einer körperdysmorphen Störung handelt es sich um eine Störung, bei der eine übermäßige Konzentration auf einen oder mehrere leichte oder eingebildete Defekte im Erscheinungsbild gelegt wird, wodurch ein Leidensdruck sowie eine Verminderung der Lebensqualität entstehen.
Definition: In der Regel spricht man von Stigmatisierung bei der Zuschreibung eines Merkmals auf eine Person, welche von der Gesellschaft negativ bewertet wird und sich dadurch negativ auf den oder die Betroffene auswirkt. Allgemein wird unter Stigmatisierung ein Prozess verstanden, bei dem Individuen oder Gruppen andere Individuen oder Gruppen in Kategorien einordnen. Erfolgen kann das durch Zuschreibung von Merkmalen und Eigenschaften sowie durch Diskreditierung dieser.
Fazit: Ein gefährliches Wechselspiel
Psychische Faktoren wie Stress spielen eine zentrale Rolle bei Neurodermitiserkrankungen. Dabei kann es zu einem gefährlichen Teufelskreis kommen, denn Stress kann nicht nur Neurodermitis Schübe auslösen und das Krankheitsbild verschlechtern, sondern auch durch die Krankheit entstehen. Symptome wie beispielsweise Juckreiz und auch Stigmatisierung, mit der Betroffene häufig zu kämpfen haben, führen ebenfalls zu Stress.
Durch diese Verflechtung sollten bei Anamnese und Therapiewahl neben körperlichen auch psychische Faktoren, wie das Erleben und Verhalten, sowie soziale Faktoren berücksichtigt werden.
Quellen
https://www.gesundheit.gv.at/leben/stress/was-ist-das.html
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.14328_g
https://link.springer.com/article/10.1007/s15007-019-1948-0
https://lexikon.stangl.eu/10857/stigmatisierung.
https://link.springer.com/article/10.1007/s00105-003-0539-9
https://www.psychosoziale-gesundheit.net/bb/05haut.html